Preisträger*innen 2024
Es ist ein besonderer Menschenschlag, der beständig versucht mit offenem Visier diese Welt zu begreifen, und für andere begreifbar zu machen. Und zwar nicht naiv, nicht besserwisserisch, nicht mit einer verlogenen Selbstbespiegelung der eigenen Gefühle, die alles Dokumentarische verkitscht und in Wahrheit nur die eigene Befindlichkeit im Fokus hat. Sondern kritisch, zurückhaltend, mit einer Liebe zur Wahrheit und den Menschen, und einem Bewusstsein jederzeit falsch liegen zu können.
Solmaz Khorsand
Die Festrede von Solmaz Khorsand finden Sie hier.
Prämierter Kino-Dokumentarfilm:
Wer hat Angst vor Braunau? Ein Haus und die Vergangenheit in uns von Günter Schwaiger | Trailer
Jurybegründung: Ein Film, der sich sehr persönlich auf die Suche macht, wie es mit der Heimat eigentlich aussieht. Der Milieustudie eines besonderen Ortes ist, viele Menschen zu Wort kommen lässt, Beobachtungen zeigt, die manchmal auch wie Realsatire scheinen. Der von Verdrängung und Sprachlosigkeit erzählt, und von fehlender Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Die filmische Erzählung erreicht hier gerade zum Ende hin ihre Stärke, der Film setzt die Dinge in Beziehung, so dass der Kern eines Schreckens einerseits um so klarer zu Tage tritt, sich andererseits manchmal dann auch hintenrum einschleicht und bei der Zuschauerin/dem Zuschauer festsetzt. Ein Schrecken über die Vergangenheit und das Geschehene. Außerdem darüber, wie weitgehend eine verdeckenden Fassade errichtet wurde. Der Filmemacher ruft sich und uns dabei auch ins Bewusstsein, dass die eigene Familie bei all dem Teil war. Und dass die Vergangenheit als Erbe auch auf die Nachkommen wirkt, ob sie das wollen oder nicht – bis heute. Eine besondere Stärke von „Wer hat Angst vor Braunau“ ist, dass es dem Film gelingt, ohne mit dem Finger zu zeigen die dringende Notwendigkeit einer weiteren Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs fassbar zu machen.
Ebenfalls nominiert:
Stillstand von Nikolaus Geyrhalter | Trailer
…ned, tassot, yossot… von Brigitte Weich | Website
Prämierter TV-Dokumentarfilm:
Eugenie Schwarzwald – Pionierin der Moderne von Alex Wieser | Website
Jurybegründung: Der Preisträgerfilm ist das liebevoll gestaltete Portrait einer außergewöhnlichen Frau, die nicht nur besonders klug, integer und visionär war, sondern beseelt von der Idee, einen Unterschied zumachen. Der Film ist getragen von einer fundierten Recherche zu seiner Protagonistin, sowie den gesellschaftspolitischen Implikationen ihres Wirkens und zeichnet sich formal durch eine handwerklich solide und stimmige Umsetzung, mit viel Gespür für Details auf allen Ebenen, aus. Am Beginn des letzten Jahrhunderts hat diese herausragende Persönlichkeit mit unglaublichem Einfallsreichtum, unternehmerischem Geschick und sozialem Engagement revolutionäre reformpädagogische Konzepte entwickelt. Als Frau und Jüdin zweifach unterprivilegiert, gelang es ihr dennoch Investoren zu finden und eine Schule zu gründen, in der Mädchen (auch sprichwörtlich) dem Korsett der gesellschaftlichen Position ihrer Zeit entsteigen konnten. Eine Schule, die nicht von Auswendiglernen, Leistungsdruck und Angst vor Bestrafung geprägt war, sondern vor allem Lust am Lernen erzeugen und zum eigenständigen Denken anregen sollte. Dass die Protagonistin unkonventionelle Künstler und Wissenschaftler ihrer Zeit, Leute wie Oskar Kokoschka und Arnold Schönberg als Lehrer an ihrer Schule engagierte und trotz massiver Kritik an ihnen festhielt, hindert die Filmemacherin nicht daran, den Mythos des männlichen Genies zu hinterfragen und dessen Auswirkungen, wie die Versuchung des Machtmissbrauchs bis hin zu sexuellen Übergriffen gegenüber Schülerinnen, zu thematisieren. Smarte Interviews, Archivmaterial und Reenactments ergeben ein stimmiges Ganzes, aus dem Herzblut tropft. Ein Film, der Mut macht, das Neue willkommen zu heißen und das Undenkbare zu wagen. Ein Zeitdokument, das inspiriert, auch unter widrigen Umständen die eigenen Grenzen zu hinterfragen und sich im Kollektiv gegenseitig zu unterstützen, sodass die Angst vor dem Scheitern bewältigbar und die eigene Wirkungsmächtigkeit erlebbar wird.
Ebenfalls nominiert:
Eine Gesellschaft ohne Arbeiter von Heidi Neuburger-Dumancic | Website
Flash Wars – KI im Krieg von Daniel Andrew Wunderer | Website
Jury 2024
Karin Berghammer (Filmemacherin, AT), Olga Kosanović (Filmemacherin, AT) und Martin Kowalczyk (Filmredakteur, Bayerischer Rundfunk, DE).
Die Festrede hielt die Journalistin und Autorin Solmaz Khorsand.
Preisträgerinnen 2023
Unsere Arbeit ist wertvoll, denn unser Blickwinkel ist einzigartig. Und bietet sehr wohl einen Mehrwert […]. Den Beweis dafür liefern alle TV- und Kino-Dokumentarfilme, die für den Franz-Grabner-Preis nominiert sind und ausgezeichnet werden. Dieser Mehrwert war auch dem Namensgeber dieser Auszeichnung sehr wichtig. Und mir persönlich auch.
Köksal Baltaci
Die Festrede von Köksal Baltaci finden Sie hier.
Prämierter Kino-Dokumentarfilm:
Lass mich fliegen von Evelyne Faye | Trailer
Jurybegründung: „Vier junge Erwachsene. Sie sind Tänzer:innen, Opernliebhaberin, Poetin, Aktivistinnen, Kellnerinnen, Sportlerinnen. Sie leben selbständig, alleine oder in Partnerschaft, sie haben große Pläne für ihr Leben – Jobs, Heirat, Familie. Und sie haben das Down-Syndrom. Evelyn Faye erhielt von den Ärzten nach der Geburt ihrer Tochter ebenfalls diese „Diagnose“, erzählt sie eingangs, und setzt eine Frage dagegen: „Was bedeutet sie für dein Streben nach Glück?“ Wir sehen ihren Blick auf das fröhliche Kind, voller Zuversicht, dass diesem ein selbstbestimmtes Leben gelingen wird. Diese Hoffnung gründet sich überzeugend auf die einfühlsamen und gewitzten Portraits der vier Protagonist:innen. Das Down-Syndrom tritt in den Hintergrund der Erzählung. Wir sehen den Alltag, die Interessen, das Tun und Lassen, die Sorgen und Nöte von jungen Menschen – und wir sehen sie innerhalb einer Welt, in der ihre Besonderheit zur Normalität geworden ist. Im Interview auf der Filmwebsite sagt die Filmemacherin, sie habe den Film als Liebesbrief an ihre Tochter gemacht, statt eines Tagebuchs, wie sie es den anderen Kindern zu deren Erwachsenwerden gewidmet hat. Doch neben der Liebe, an der er uns teilhaben lässt, macht der Brief seiner Empfängerin Mut auf ein Leben ohne Ängste und Zweifel, am Beispiel von Menschen, die das schon geschafft haben. Der Optimismus, der starke Wille zu einem selbstbewussten Leben überträgt sich auf den Zuschauer – und beflügelt selbst jene, die nicht gegen Widerstände und Vorurteile ankämpfen müssen auf dem Weg zu sich selbst.“
Ebenfalls nominiert:
Der schönste Tag von Fabian Eder | Trailer
Zusammenleben von Thomas Fürhapter | Trailer
Prämierte TV-Dokumentation:
Weg Damit – Die Kunst der Entsorgung von Karin Berghammer | Trailer
Jurybegründung: „Alltagspraktische filmische Beobachtungen, verbunden mit Anregungen, Sachverhalte und übliche Abläufe neu zu sehen, anders zu bewerten. Philosophische Reflexionen über Dinge, die auf den ersten Blick banal erscheinen. Der Film überzeugt durch die immer wieder überraschende Verbindung von Gegensätzlichem, eine gute Kamera und eine schlüssige Dramaturgie. Der Film widmet sich dem Müll und seiner Entsorgung: in der Stadt wie auf dem Land. Die enormen Müllmengen werfen ökologische Fragen auf und sagen andererseits auch viel über die Menschen aus. Ein Protagonist des Films erzählt, dass ein Blick in die Mülltonne Intimes über den/die Besitzer: in offenbart. Die Philosophin und Künstlerin Elisabeth von Samsonov folgt dem Weggeworfenen – dem, wie sie sagt: „Exkrement der Gesellschaft“ – zu seiner jeweils nächsten Bestimmung: vom Müllwagen in die Verladestation bis hin zur Kompost- und Kläranlage. Tiefgründig und humorvoll ordnet sie das Gesehene ein, erstaunt uns mit ihren Assoziationen und Interpretationen. „Man kann nichts wirklich loswerden, es bleibt alles da“, mahnt Elisabeth von Samsonov. Ihre Gedanken klingen in uns nach.“
Ebenfalls nominiert:
Visionen Bauen von Diego Breit Lira | Trailer
Wohnen um jeden Preis von Kim Kadlec | ORF TV-Programm
Jury 2023
Matthias Elwardt (Geschäftsführer Zeise Kinos Hamburg, DE), Gudrun Hanke-El Ghomri (Redakteurin und ARTE-Koordinatorin SWR, DE), Paul Pauwels (Filmproduzent, BE) und Robert Stachel (Autor und Kabarettist, AT)
Preisträgerinnen 2022
Ich frage mich über den Krieg hinaus und als Kritiker regelmäßig, was beim Kampf um die Wahrheit und die Kunst die Festungen sind. Sind es Begriffe wie Verantwortung, Glaubwürdigkeit, Ethik und Moral? Im Fall der Ukraine und Russlands ist der alternativlose Kampfbegriff die Nationalität. Ganz zweifellos ist gerade der Begriff der Identität ein kultureller Kampfbegriff. Ich frage mich: Begeben sich, bildhaft gesprochen, alle Dokumentarfilmer*innen und Reporter*innen in Kampfzonen, wenn sie sich an Begriffe, Institutionen und Menschen wagen, die eine Resistenz gegen Veränderung mit sich bringen, die definieren und kontrollieren wollen? Ich bin sicher, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, natürlich nicht nur heute, den Wagnissen von Filmemacher*innen, die aus dieser Frage folgen, mit größtmöglicher Aufmerksamkeit zu begegnen – über sie zu sprechen, zu schreiben und unsererseits mit Bildern und Gegenbildern auf sie zu reagieren.
Dennis Vetter
Die Festrede von Dennis Vetter finden Sie hier.
Prämierter Kino-Dokumentarfilm:
Weiyena – Ein Heimatfilm von Weina Zhao und Judith Benedikt | Trailer
Jurybegründung: „Zuhören und sehen – was gesagt wird und was ungesagt bleibt. Ein verletzliches Unterfangen im Erinnern und Befragen der eigenen Familiengeschichte. Ein intimes transgenerationales Portrait, mit Blick auf Migrationsgeschichte, auf Lebensrealitäten in China, während und nach der Diktatur. Auf Gräben, Brüche und Widersprüche im Erzählen von Geschichte. Getragen von sensibler und schöner Kameraarbeit entsteht ein liebevoller Blick auf ein Netz an Personen, auf Fragmente ihrer Leben und die Verbindungslinien die die Filmemacher:innen zu einer dichten Textur zusammenweben. Das Filmemachen erlaubt Weina Zhao einen Rollen- und Perspektivwechsel und ermöglicht somit ein Erforschen und Begreifen der Dinge unter den Oberflächen. Es gelingt ein feinsinniger Film getragen von einem persönlichen Ansatz, ein Film der sich nicht scheut, seine dokumentarische Methode offenzulegen.“
Ebenfalls nominiert:
Marko Feingold – Ein jüdisches Leben von Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer und Roland Schrotthofer | Trailer
WOOD von Ebba Sinzinger, Michaela Kirst und Monica Lăzurean-Gorgan | Trailer
Prämierte TV-Dokumentation:
Erich Fried – Dichter im Porzellanladen von Danielle Proskar
Jurybegründung: „Der gebürtige Wiener Jude Erich Fried (1921-1988) war ab den 60-er bis 80-er Jahren eine Art Popstar der politischen Linken und nicht zuletzt ein Bestseller-Autor. Seine Lyrik-Lesungen glichen Kundgebungen, seine Kundgebungen seiner Lyrik. Die Dokumentation von Danielle Proskar erweckt dieses Urgestein des politischen Diskurses wieder zum Leben. In einer klug montierten Collage spürt sie den divergierenden Lebenslinien des Exilanten nach, dessen Vater von den Nazis ermordet worden war. Sie ordnet ein, vermeidet aber platte Zuordnungen. Sie gibt dem Sprachgewaltigen Raum, aber auch seinen Nächsten und Getreuen. Sie zeigt einen Streitlustigen, der immer wieder ins Risiko geht. Der um die eigenen Widersprüche weiß und immer auch die Gegenseite hört. Und so entdeckt sie Erich Fried für uns neu, als einen Urvater des politischen Aktivismus.“
Ebenfalls nominiert:
ALLER ANFANG – Der Weg der Hebammen von Karin Berghammer
Ischgl im Ausnahmezustand und Das große Schweigen von Ed Moschitz
Jury 2022
Claudia Wohlgenannt (Filmproduzentin, AT), Djamila Grandits (Kuratorin, AT), Paul Pauwels (Filmproduzent, BE), Nicole Baum (HR Internationale Fiktion und Dokumentarfilm ZDF/3sat, DE), Stefan Kloos (Geschäftsführer „Rise and Shine“, DE)
Preisträgerinnen 2020
Kino:
Dieser Film ist ein Geschenk von Anja Salomonowitz | Trailer
Jurybegründung: „Wenn jemals ein Titel gut gewählt war, dann ist es dieser. Anja Salomonowicz lässt die Zuschauer:innen in eine Welt der Kunst und Lebenslust eintauchen, die das Publikum mit einem Lächeln und einem bittersüßen Gefühl von Glück und Trost zurücklässt. Auf sehr fantasievolle Weise bringt Frau Salomonowicz Jung und Alt in einer spielerischen und liebenswerten Geschichte zusammen. Den Künstler Daniel Spoerri zu treffen und zu erfahren, wie er das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, überwunden hat, ist ein wahres Vergnügen und ein Beispiel für uns alle. Dank Oscar Salomonowicz, der als Alter Ego von Herrn Spoerri der perfekte Fürsprecher seiner Ideen und Gedanken ist, schmilzt sogar das Herz des größten Spießers/ Banausen.
Aber am wichtigsten ist die Botschaft, die dieser Dokumentarfilm vermittelt: Nichts und niemand ist für immer verloren, solange wir die Erinnerung pflegen. Er bringt unsere Gedanken zu denjenigen, die physisch nicht mehr unter uns sind, aber deren Leben aber ein wunderbares Geschenk an uns war und die deshalb ein wesentlicher Teil unseres eigenen Seins geworden sind – und für immer bleiben werden.
Aus diesem Grund ist die Jury der Meinung, dass „Dieser Film ist ein Geschenk“ ein perfekter Preisträger des Franz Grabner Preises ist. Anja Salomonowicz, vielen Dank an dich für dieses schöne Geschenk.“
Ebenfalls nominiert:
ERDE von Nikolaus Geyrhalter | Trailer
Die Dohnal von Sabine Derflinger | Trailer
TV:
Viva la Vulva von Gabi Schweiger | Trailer
Jurybegründung: „Wie kommt es, dass es einen Teil des weiblichen Körpers gibt, der Gegenstand von unhöflichen Witzen, einschüchternden Andeutungen von Männern, Schamgefühlen ist und oft – sogar von einigen Frauen – als das Ding betrachtet wird, das man niemals erwähnt oder angeschaut werden sollte? Dabei ist sie eigentlich ein wesentliches Element des Frauseins und das Tor zum Leben: die Vulva. Auf sanft-provokative Weise – aber nie ohne Humor – bringt Gabriele Schweiger das Publikum über die Absurdität dieser Situation zum Nachdenken. Dabei nimmt sie Zuschauer:innen auf eine überraschende und spannende Reise durch Geschichte und Kultur. Mythen werden sanft ins Lächerliche gezogen und Frauenfeindlichkeit wird entlarvt. Die Dokumentation hat eine starke Botschaft für jedes Mädchen und jede Frau: „Deine Vulva ist da, sie ist schön und sie gehört dir. Und lass dir von niemandem etwas anderes erzählen.“
Die Jury hält diesen Film für ein starkes Instrument im Kampf gegen weibliche Unterdrückung und Body Shaming und wir hoffen, dass möglichst viele, jung und alt, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, diesen Film sehen und genießen werden. Er hat die Kraft, für viele ein dringend benötigter Mind-Changer zu werden.“
Ebenfalls nominiert:
Peter Turrini – Eine komische Katastrophe von Danielle Proskar | Trailer
Sklaven für die Alten von Ed Moschitz | Trailer
Jury 2020
Paul Pauwels (Juryvorsitzender und Produzent, BE), Max Czollek (Autor und Kurator, DE), Marketa Stinglova (Manager of International Content Project Center | Czeska televise, CZ), Mona Willi (Filmeditorin und Regisseurin, AT)
Preisträgerinnen 2019
Die Geschichten, die heute hier gewürdigt werden, tun das: Anklopfen, wo normalerweise niemand anklopft. Sie machen Türen auf.
Danke dafür. Es ist so wichtig, dass es Sie gibt.
Sibylle Hamann
Die Festrede von Sibylle Hamann finden Sie hier.
Kino:
Waldheims Walzer von Ruth Beckermann | Trailer
Jurybegründung: „Aus dem Vertrauen in die Kraft des Kinos heraus entstand ein Filmessay, das sich mit Fakten nicht zufrieden gibt, sondern die widerstreitenden Kräfte einer Gesellschaft spürbar machen will. Historische und persönliche Wahrheiten werden gegeneinander in Stellung gebracht und die Realität entlarvt sich in ihren extremsten Formen selbst. Das aufmerksame Betrachten wird zu einem scharfsinnigen Akt der Kritik. Die Regisseurin besitzt die Courage, sich aus ihrer filmischen Ungleichung nicht herauszunehmen und positioniert sich im Widerstreit um das politische Gesicht ihres Landes unmissverständlich auf der Seite Demonstrierender. Mit ihrer Kamera steht Ruth Beckermann seit Jahrzehnten für ein österreichisches Kino, das nicht an der Seite verharrt, sondern sich mitten aufs politische Terrain begibt.“
Ebenfalls nominiert:
Bruder Jakob, schläfst du noch? von Stefan Bohun | Trailer
Zu ebener Erde von Birgit Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani. | Trailer
TV:
Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof von Karin Berghammer und Krisztina Kerekes | Trailer
Jurybegründung: „Die Filmemacherinnen Karin Berghammer und Krisztina Kerekes filmen ihre Ballade vom Leben und Tod, indem sie über das Personal erzählen, die Nebenfiguren, die fast unsichtbar ihr Tagwerk verrichten – auf einem der größten Friedhöfe Europas. Sie beobachten, sie lassen erzählen, sie behalten die Ruhe. Und so verliert man sich in diesen kleinen Erzählungen übers Sterben, über ‚Versenkungsapparate‘ und über Honig vom Friedhof. Und das ist gut so, weil es damit normal wird. ‚Leben für den Tod – Menschen am Zentralfriedhof‘ ist ein Gespräch über Tod, ohne viel zu quasseln, viel mehr zu beobachten, zu schauen, zu verstehen. Ein Ort, wo Menschen nie Vergangenheit werden. Eine kleine Lücke in der Zeit. Noch nie wurde die letzte Ehrenrunde unserer Verstorbenen so frech, so schön erzählt. Großes Handwerk.“
Ebenfalls nominiert:
Frauenbilder – Gegenbilder von Barbara Weissenbeck | Trailer
Nie genug – Der Körperkult in sozialen Medien von Jennifer Rezny | Film
Jury 2019
Simone Baumann (Filmproduzentin, DE), Christian von Brockhausen (Redakteur NDR, DE), Paul Pauwels (Direktor EDN – European Documentary Network, Kopenhagen, DK), Anja Salomonowitz (Film- und Theaterregisseurin, Drehbuchautorin, AT), Christa Ulli (Redakteurin SFR, CH), Dennis Vetter (Filmkritiker, DE)
Prämierte 2018
Genau deshalb ist der Franz-Grabner Preis so wichtig. Weil er das Selbstverständnis und den gestalterischen Spielraum der Gepreisten stärkt. Und weil er gleichzeitig dem Publikum zeigt, darauf hinweist, was echte Exzellenz im Film-Journalismus ist.
Barbara Tóth
Die Festrede von Barbara Tóth anlässlich der Verleihung 2018 finden Sie hier.
Kino:
Gwendolyn von Ruth Kaaserer | Trailer
„Der preisgekrönte Dokumentarfilm berührt sowohl Herz als auch Verstand und stellt dem Publikum eine Frau vor, die ein Vorbild in Sachen Mut, Ausdauer und Interesse am anderen für uns alle sein kann. Dieser Film ist viel mehr als nur ein Porträt, er ist eine überzeugende Ode an den Glauben an die eigene Stärke und an positive Werte wie Altruismus, Pluralismus und Liebe. Auf bescheidene Art widerlegt die Protagonistin bestehende soziale Vorurteile, bekämpft das Schicksal und wird zur Vorreiterin des freien Willens und der Menschenwürde. Nicht mit großen Worten, sondern mit kleinen Taten zeigt sie uns, wie eine bessere Welt für alle erreichbar ist … es ist eine Frage des Wollens!“ Mit diesen Worten begründete die internationale Jury ihre Entscheidung.
Ebenfalls nominiert waren:
Free Lunch Society – Komm Komm Grundeinkommen von Christian Tod | Trailer
Sand und Blut von Matthias Krepp und Angelika Spangel | Trailer
TV:
Die Weltherrschaft von Fritz Ofner und Michael Lenzinger | Trailer
„Der Preisträger in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm behandelt ein zentrales Thema unserer Zeit: den Umgang mit Nachrichten, den Wunsch nach Vereinfachung und die Suche nach Wahrheit in einer immer komplexer werdenden Welt. Er tut dies auf eine Weise, die nicht nur innovativ erzählt und dabei aufklärt, sondern auch den Mut hat, widersprüchliche, teilweise konträre Positionen neben- und gegeneinander zu stellen. Damit überlässt es der Film seinen Zuseher/innen, mit diesen Informationen umzugehen und bestärkt das Publikum darin, den Blick für Manipulation, Vorurteile, Verschwörungstheorien, Angst- und populistische Meinungsmache zu schärfen. Dieser aufklärerische Umgang macht auch vor medialer Selbstkritik und Selbstreflexion nicht Halt und betont gleichzeitig, dass insbesondere Fernsehen und Dokumentarfilm eine wichtige Rolle für die kritische Wahrnehmung von Mediendiskursen spielen können“ konstatierte die Jury in ihrer Begründung.
Nominiert waren zudem:
Dokumente, die die Welt bewegen. Aus dem Inneren des Österreichischen Staatsarchivs von Andrea Morgenthaler, Robert Neumüller, Jakob Brossmann und Uli Jürgens | Beispielfolge: Die Reformation
Wofür es sich zu leben lohnt – Viktor Frankl und die Suche nach dem Sinn von Birgit Mosser-Schuöcker
Jury 2018
Zora Bachmann (Politikwissenschaftlerin, Kuratorin, AT), Tobias Ebbrecht (Filmwissenschaftler, Hebrew University Jerusalem, IL), Petra Felber (Leitung Redaktion Dokumentarfilm BR, DE), Esther van Messel (First Hand Films, CH), Paul Pauwels (Direktor EDN – European Documentary Network, Kopenhagen, DK)
Preisträger 2017
Ich hoffe dass diejenigen, die diesen Preis erhalten – heute und in Zukunft – niemals vergessen werden wofür er steht, und dass sie dem Vermächtnis gerecht werden indem sie weiterhin Dokumentarfilme schaffen, die einen Unterschied machen.
Paul Pauwels
Die Festrede des Jurymitglieds und Direktor des European Documentary Networks, Paul Pauwels, finden Sie hier.
Kino:
Unten von Djordje Čenić und Hermann Peseckas | Trailer
„Unten erzählt vom Fremdsein und den Versuchen dazuzugehören, von Klassengegensätzen und dem Alltag einer jugoslawischen Arbeiterfamilie in Linz, von der Tragik der Kriege in Ex-Jugoslawien verbunden mit der Familiengeschichte, von politischen und persönlichen Zerrissenheiten. Die offene und lockere Erzählweise von Unten, das scheinbar mühelose Verweben von subjektiv Erlebtem und historischen Fakten, das Aufgreifen und Bewältigen einer komplizierten Thematik, die in dieser Weise noch kaum behandelt wurde und die persönliche Suche und Konfrontation, an der das Publikum teilnehmen darf.“
Außerdem nominiert:
Ein Deutsches Leben von Christian Krönes, Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer, Florian Weigensamer | Trailer
Future Baby von Maria Arlamovsky | Trailer
TV:
Menschen und Mächte – Flucht in die Freiheit von Andreas Pfeifer und Andreas Novak
„In einer Zeit der brutalen Abschottung, einer fragwürdigen, sogenannten ‚Grenzsicherung’ und populistischer Rhetorik ist dieser Fernsehfilm ein Statement gegen die Geschichtsvergessenheit, die sich in der aktuellen Diskussion über das Flüchtlingsthema manifestiert. Sorgfältig ausgewähltes, zum Teil bisher unbekanntes Archivmaterial verstärkt den Eindruck der historischen Rolle, die die Grenze zwischen Ungarn und Österreich als politischer Schnittpunkt im Laufe der jüngeren Geschichte immer wieder innehatte.“
Nominiert waren auch:
Adams Art von Lenzo Reinhard | Trailer
Kreuz und Quer – Eine fast unmögliche Freundschaft von Peter Beringer | Film
Jury 2017
Karin Berger (Filmemacherin, AT), Susanne Biermann (Redakteurin ARTE, FR), Hans Robert Eisenhauer (Geschäftsführer Ventana Film- und Fernsehproduktion, Berlin, DE), Irene Klünder (Geschäftsführerin Haus des Dokumentarfilms, Europäisches Medienforum Stuttgart, DE), Paul Pauwels (Direktor EDN – European Documentary Network, Kopenhagen, DK)